Albanologie
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Blockveranstaltung von Prof. Dr. Alexander Novik

Am Mittwoch, den 16.12.2015, hielt Prof. Dr. Alexander Novik eine Blockveranstaltung zu ethnologischen Untersuchungen über die albanische Diaspora in der Ukraine und Bulgarien. Der Vortrag wurde auf Albanisch abgehalten und teilte sich in folgende zwei Blöcke auf: 1. "Die Albaner in der Ukraine: Geschichte, Fragen des Bewusstseins und der traditionellen Kultur" und 2. "Das Dorf Mandrica in Bulgarien"

17.12.2015

1. Die Albaner in der Ukraine: Geschichte, Fragen des Bewusstseins und der traditionellen Kultur

Im Süden der Ukraine gibt es vier albanische Dörfer. Hier hat sich das Ethonym ga tantë bis zum heutigen Zeit erhalten. Dieses Ethnonym stammt aus der Zeit der Auswanderung der Albaner ins Russische Reich. Das erste albanische Dorf, Karakurt, in Budschak wurde 1811 gegründet. Die Albaner, die in dieser Zeit aus Ostbulgarien ins Russische Reich einwanderten, nannten sich selbst ga tantë ‚von unseren Leuten‘. Diese Eigenbezeichnung liefert gleichzeitig nähere Einsichten über die Zeit der Auswanderung dieser Gruppe aus den albanischen Gebieten. Das Ethnonym shqiptar (shqypëtar) taucht zum ersten Mal im 18. Jahrhundert auf. Die Bewahrung des Ethnonyms ga tantë bezeigt demnach, dass ihre Auswanderung aus den albanischen Gebieten vor dem 18. Jahrhundert stattgefunden haben muss, also bevor sich das Ethnonym shqiptar verbreitete.
Mit der Frage des Ethnonyms ist auch das Problem der Exonyme eng verbunden. Es ist unstrittig, dass in jeder Diaspora das ethnische Bewusstsein mit dem Kenntnisstand der Muttersprache zusammenhängt. In den albanischen Dörfern der Ukraine wird das Albanische bis heute noch gesprochen.
Die Bewahrung der eigenen Sprache beeinflusst das Bewusstsein des Volkes in starkem Maße. Anstelle der Exonyme haben die Albaner der Ukraine den Ausdruck si neve ‚wie uns‘ verwendet. Als Ausdruck für flet shqip ‚Albanisch sprechen‘ wird in ihrem Dialekt zallahit si neve verwendet. Dies bezeugt, dass die Auswanderung dieser albanischen Bevölkerungsgruppe vor der Verbreitung der Exonyme shqip, gjuha shqipe erfolgte. Interessant ist auch die Tatsache, dass in den Dialekten der Albaner in Budschak und Priazovje das Verb shqiptoj ‚sprechen‘ die Bedeutung ‚verstehen‘ erhalten hat – und nicht die Bedeutung ‚klar und verständlich sprechen‘, wie es im modernen Albanischen der Fall ist.

Zusammenfassend kann man zu der Schlussfolgerung kommen, dass der Dialekt der Albaner in der Ukraine nicht nur Angaben über den Sprachstand aus der alten Zeit liefert, sondern auch Einsichten in die Bildung des heutigen Ethnonyms des albanischen Volkes liefert.

20160111002456

2. Das Dorf Mandrica in Bulgarien

Das Dorf Mandrica ist als einziges Dorf bekannt, in dem Albanisch gesprochen wird. Soweit heute bekannt, wurde das Dorf 1635 von einwandernden Albanern gegründet. Der Name des Dorfes steht in enger Verbindung zum einheimischen Wort mandra (bulg. мандра), was so viel wie ‘Molkerei’ bedeutet. In der Zeit ihrer größten Ausdehnung umfasste das Dorf 250 Häuser und ca. 3000 Einwohner.
Über das Dorf Mandrica liegt eine Vielzahl ethno-linguistischter Untersuchungen von bulgarischen und albanischen Forschern aus dem 20. Jahrhundert vor. Vor allem in den letzten 17 Jahren weckte das Dorf das Interesse vieler Journalisten und Forscher, was zu einer recht großen Zahl verschiedener Feldforschungen im Dorf führte. Wenngleich dieses rege Interesse am Dorf neue Kenntnisse über die Geschichte, Sprache und Kultur rund um das Dorf Mandrica ans Licht förderte, zeigte ein erst im Jahre 2014 durchgeführte bulgarisch-russisches Forschungsprojekt, dass weiterhin Forschungsbedarf besteht. Der Vortrag lieferte einen zusammenfassenden Überblick über derzeitigen Kenntnisstand über die aktuelle soziolinguistische Situation im Dorf Mandrica
In Hinblick auf die Bewahrung einer albanischen Identität im Dorf Mandrica sind vier wichtige Punkte zu nennen: 1. Die Bewohner von Mandrica haben ihre ethische Zugehörigkeit bewahrt, d.h. sie sehen sich selbst weiterhin als Albaner an und bezeichnen sich auch als solche. 2. Sie sprechen weiterhin Albanisch bzw. ihre einheimische Mundart. 3. Die praktizierten Riten und Bräuche werden von den Einheimischen der albanischen Kulturtradition zugesprochen. 4. Als wichtiger Marker ihrer ethnischen Zugehörigkeit sind ihre Volkstrachten anzusehen, die bis in die heutige Zeit bewahrt werden, vor allem unter den Frauen.